Stadtmachen Jam Genossenschaften und kooperative Governance vom 6.10.2020
Genossenschaften als Stadtmachen-Modell
Der Ansatz des Genossenschaftsmodells ist sehr anschlussfähig an die grundlegenden Eckpfeiler des Stadtmachens: „Do it Yourself“ und „Do it Together“. Er steht für kooperative Prinzipien, demokratische Kontrolle und Mitbestimmung durch die Genossenschafts-Mitglieder und eine gemeinsam getragene Eigentumsstruktur. Wie geeignet ist dieser Ansatz für die kooperative Governance des Stadtmachens? Was lässt sich hier lernen, übertragen und weiterentwickeln? Und in wieweit können Genossenschaftsmodelle den ideellen Entwicklungspfad einer „Stadt als Gemeingut“ befördern?
Wir haben dies im Rahmen der Ausstellung Living the City diskutiert, einer Plattform des „Stadtmachens“, die Geschichten von Menschen und Projekten zum Thema macht, die sich aktiv für die Stadt und die Stadtgesellschaft einsetzen. Wir freuen uns sehr über die positive Resonanz der Teilnehmenden zu unserem Jam – die auch über die Stadtgrenzen hinaus den Weg in die Agora in der Empfangshalle des alten Flughafens Berlin Tempelhof gefunden haben: alle Plätze waren ausgebucht! Danke auch an die Veranstalter:innen der Ausstellung, die einen Livestream zur Verfügung stellten, über den die Teilnahme auch online möglich war.
Impulse
Florian Michaelis von der Alten Mu in Kiel steht für eine Initiative, die sich aktuell auf dem Weg zur Genossenschaftsgründung befindet. Die Vision bzw. die MU-TOPIE des Projekts ist es, auf dem Gelände der ehemaligen Muthesius Kunsthochschule ein kreatives Dorf in der Stadt zu entwickeln. Ziel ist es einen solidarischen Ort für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu kreieren und nachhaltige Projekte des Wohnens, des Arbeitens, der Bildung, der Kunst und der Kultur zu entwickeln. Eine Genossenschaft bietet sich dabei als ideale Kooperationsform an, weil die Gemeinschaft im Mittelpunkt dieses Kooperationsmodells steht. Von der Genossenschaftsgründung verspricht sich die Alte Mu, nicht nur die ökologischen Transformation, sondern auch eine „Soziale Transformation“ vorantreiben zu können.
Karina Halbauer konnte uns mit ihrem Einblick in das Projekt Kulturquartier Schauspielhaus in Erfurt einen Einblick in eine Kulturgenossenschaft iG geben. Die Initiative engagiert sich dafür, im ehemaligen Erfurter Schauspielhaus das Licht wieder anzuschalten, und ist dabei bislang sehr erfolgreich. Wie das funktioniert, könnt Ihr hier erfahren. Die Kulturgenossenschaftsgründung wird über eine Gründungsgenossenschaft initiiert und über den Thüringer vtw geprüft. Erstes Ziel ist es, eine Basisfinanzierung von 1 Million Euro zu stemmen – und das ist zu über 90 Prozent erreicht. Wichtig ist, dass das Modell einer Genossenschaft ermöglicht, die basisdemokratische Struktur des Projekts Schauspielhaus zu tragen.
Eugen Friesen und Wera Stein von Wigwam Berlin können berichten, wie aus einer GmbH eine Genossenschaft wird. Das Team ihrer Kommunikationsagentur hat die ehemalige GmbH der Firma gekauft und so wurden alle Genossenschaftlerinnen und Genossenschaftler. „Alle sind Chef“ – so nennt Wera die neue Situation. Die Arbeitskultur von New Work konnte damit ihre formale Entsprechung finden. Die Vorteile: Kein Profit durch Anteilsverkäufe, alle haften gemeinsam, Stabilität durch Genossenschaftsverbandsprüfung, Demokratie durch Wahlen von Genossschaftsämtern, Entkopplung von Personen und Unternehmensrollen. Das eG-Prinzip fördert – so die eigene Erfahrung im Vergleich zur GmbH – gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung und unterstützt dabei Demokratie zu lernen und zu leben.
Florian Schmitt vom CSX-Netzwerk stellt den Genossenschaftsansatz in den Kontext gemeinschaftsgetragenen Wirtschaftens. Er hat im Blick, wie sich dieser Ansatz auf die Rollen von Produzenten und Konsumenten auswirkt. Sind Anbietende und Abnehmende Mitglieder einer gemeinsamen Genossenschaft, können sie nicht nur steuerfrei untereinander handeln, sondern auch gemeinsam die Prinzipien des gemeinsamen Wirtschaftens zum Thema machen. So lässt sich überlegen, wie produziert werden soll, bevor erst über den Markt bestimmt wird, wie unter den gegeben Bedingungen überhaupt noch produziert werden kann. Damit eröffnet sich über das eG-Prinzip die Möglichkeit Ideen, wie etwa eine „Stadt als Gemeingut“, strukturell in Wirtschaftskreisläufe einzubetten.
Perspektiven
Das Übertragen, Lernen und Weiterentwickeln dieser Genossenschafts-Impulse werden wir in einen Genossenschafts-Booklet übertragen, der bis Ende des Jahres hier auf www.stadtmachen-akademie.org erscheint. Wenn Ihr noch Fragen oder Anregungen dazu habt, teilt sie uns gerne mit an: stadtmachen@vhw.de!
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